Ein Papst enttäuscht Hoffnungen
Als Pius IX. 1846 Papst wurde, setzten viele Liberale seine Hoffnung auf ihn, Aber bald nach 1848 zeigte sich, dass dieser Papst die Absicht hatte, die Unfehlbarkeit in der Lehre und die volle oberste Kirchengewalt für sich in Anspruch zu nehmen.
Bereits 1854 erhob Pius IX. den Lehrsatz von der Unbefleckten Empfängnis Mariens zu einem allgemein verbindlichen Dogma.
1864 erließ er den Syllabus, eine feierliche Erklärung, in der der Papst viele Errungenschaften des Liberalismus, z.B. die Meinungs- und Religionsfreiheit, Pressefreiheit und Demokratie, als widergöttlich und unkatholisch verwarf. Diese Haltung löste besonders unter den gebildeten Katholiken im deutschsprachigen Raum Bestürzung aus.
Mit dem Konkordat von 1855 zwischen dem Papst und dem Kaiserreich Österreich wurden die letzten Reste des Josephinismus ausgelöscht.
Ein Konzil versammelt sich
Pius IX. berief 1869 das sogenannte 1. Vatikanische Konzil nach Rom ein. Schon vor der Einberufung des Konzils diskutierte man über eine päpstliche Unfehlbarkeit in Glaubens- und Sittenfragen, sowie über den Allprimat des Bischofs von Rom, d.h. über seine Stellung als "Universalbischof" in der Kirche. Die Meinungen darüber waren durchaus geteilt, ja es kam sogar zu Spannungen und heftigen Kontroversen unter den Bischöfen.
Gegner der Unfehlbarkeit befürchteten eine Dogmatisierung der beiden Lehren. Die Dogmatisierung eines bestimmten Satzes verpflichtet jeden römisch-katholischen Christen, diese Lehre als verbindlich anzuerkennen.
136 der 778 in Rom versammelten Konzilsväter, die sog. "Minorität", stand einer Dogmatisierung kritisch bis ablehnend gegenüber. Unter diesen Bischöfen waren vor allem deutsche, französische und österreichisch-ungarische stark vertreten.
So äußerten sich der damalige Erzbischof von Wien, Othmar von Rauscher, und der Erzbischof von Prag, Friedrich von Schwarzenberg, vehement gegen die beiden auf dem Konzil diskutierten Lehren. Beide Kirchenfürsten lehnten sie mit dem Hinweis ab, daß diese Lehren weder biblisch belegbar seien noch der Tradition der Kirche entsprächen.
Unterstützung bekamen die Bischöfe der Minorität durch eine Reihe von anerkannten Theologen, an deren Spitze Propst Ignaz von Döllinger stand, damals hochberühmt als Münchner Kirchenhistoriker.
Trotzdem kam es am 18. Juli 1870 zur feierlichen Definierung der beiden Lehrsätze und ihrer Verkündigung durch Papst Pius IX:
Der Widerstand formiert sich
Viele Theologen, Priester und Laien gaben aber auch nach der Verkündigung der neuen Dogmen ihren Protest nicht auf. Aus ihrer Sicht hatten die Dogmatisierungen eine neue, "rom"-katholische Lehre geschaffen. Da sie die selben Katholiken wie vor dem Konzil bleiben wollten, nannten sie sich "alt"-katholisch. Mit anderen Worten: sie verstanden sich als Katholiken von jeher, die es plötzlich mit einer veränderten Kirche zu tun hatten.
Dennoch dachte niemand von ihnen an Kirchenspaltung oder Austritt. Döllinger und seine Gesinnungsgenossen blieben trotz des Drucks von Rom standhaft bei ihrer Meinung und wurden so gegen ihren Willen aus der römisch-katholischen Kirche ausgeschlossen.
Diese antivatikanisch gesinnten Katholiken wurden schließlich gezwungen, sich unter dem Namen "Alt-Katholiken" als selbständige Kirchen zu konstituieren. Unter diesem Namen wurden sie in Deutschland und Österreich-Ungarn als eigene Kirchen staatlich anerkannt, in der Schweiz bürgerte sich der Name "Christkatholische Kirche" ein.